Ohne Sinn ist nichts.
Alles hat seine Bedeutung.
Weiß ich dann nicht, daß diese schwarze Zeit verschwindet.
Nur ein Guckloch bleibt offen für die Erinnerungen
und für die Versöhnung mit dem Leben heute, wie es
nun mal ist. |
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(Marylene Westermeier-Douree) |
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Im Jahre 1911 wird der
Reichsbahnschaffner Johannes Schwarz von Dirschau nach Danzig
versetzt. Er findet für sich und seine Familie eine Wohnung
in Schidlitz. |
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1918 |
Deutschland verliert den ersten Weltkrieg. |
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1919 |
Im April demonstriert die 16 jährige Luise
Märtsching, später Luise Schwarz, wie fast alle Danziger
am Kaiser Wilhelm Denkmal auf dem Heumarkt für den Verbleib
Danzigs beim Deutschen Reich gegen die Bestimmungen des Versailler
Vertrages. |
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1920 |
Am 10.01. tritt der Vertrag von Versailles in
Kraft. Danzig wird gegen den Willen seiner Bevölkerung
vom Deutschen Reich abgetrennt und zum Freistaat erklärt. |
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1923 |
Inflation. Die Spargroschen, auch die der Danziger,
sind verloren. |
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1933 |
Adolf Hitler kommt an die Macht. |
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1939 |
Beginn des 2. Weltkriegs durch den Einmarsch der
deutschen Wehrmacht in Polen, womit die „Rückgliederung
der Stadt Danzig und der deutschen Ostgebiete ins Reich“
erfolgte. |
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1945 |
Deutschland verliert den zweiten Weltkrieg. Die
Danziger werden vertrieben, verlieren ihr Hab und Gut, ihre
Heimat und viele verlieren auch das Leben. |
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Das ist die Zeit, von der
unsere Familiengeschichten erzählen. Ein Abschnitt von
34 Jahren, nicht einmal ein halbes Menschenalter. 10 Jahre davon
sind Kriegsjahre. Wirkliche Friedensjahre sind kaum mehr.
Wie lebte man in dieser Zeit zwischen den großen Kriegen
in der alten deutschen Hansestadt Danzig? Wie alle Anderen
versuchten die Schwarzens ein wenig Glück und Geborgenheit
zu schaffen und zu erhalten. Doch die Verhältnisse waren
nicht so.
Unsere Familiengeschichte beweist einmal mehr, wie stark, wie
lebensbedrohlich politische Entscheidungen sind und wie
schwach, wie bedroht die Familie ist.
Unser Vater wollte noch 1945 der Familie die Heimat erhalten.
Das hat ihn das Leben gekostet. Unsere Mutter hat die Restfamilie
unter unsäglichen Opfern in die Fremde führen müssen.
Das Jahrhundert der großen Kriege ist vorbei und wir,
die Kinder dieser Zeit, haben uns erinnert. |
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„Es tut wohl und weh, nicht zu
vergessen“ |
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(Rose Ausländer 1901-1988) |
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Das wird der Leser in jedem
Bericht, in jeder Erzählung spüren. Und er wird spüren,
wie nachhaltig uns unsere Heimatstadt Danzig geprägt hat
und wie schmerzlich auch heute noch ihr Verlust nachwirkt.
Wir, die Schreiber dieser Chronik, hatten ganz unterschiedliche
Erlebnisse, haben unterschiedliche Erinnerungen und oft auch
ein voneinander abweichendes Zeitgefühl. Dem damals
7-jährigen erscheint alles länger, in anderen Dimensionen
und in anderer Reihenfolge. Was er schildert, ist aber subjektiv
wahr.
Wir haben seit Danzig nicht nur in verschiedenen Regionen, wir
haben auch in verschiedenen Staaten gelebt. Das ist nicht
ohne Einfluß auf das Schreiben geblieben, wie auch das
Alter und der jahrzehntelang ausgeübte Beruf nicht ohne
Einfluß auf Stil und Inhalt sind. Ganz gewiß aber
ist gerade die unterschiedliche Sicht der Dinge und die unterschiedliche
Art der Darstellung ein Gewinn.
Diese Chronik ist unseren Müttern gewidmet. Die Siegermächte
und auch wir in Deutschland haben es noch nicht geschafft, daß
in gleicher Weise an alle Opfer des Krieges mit Trauer und Ehrfurcht
gedacht wird. Auch die Verlierer haben ein Recht darauf. Opfer
des Krieges sind nicht nur die Gefallenen und Ermordeten des
II. Weltkrieges, es sind auch die Überlebenden zweier
Generationen, die der Krieg gezeichnet hat.
Die Familiengeschichten zeigen, daß nach 1945 in einer
langen und segensreichen Friedenszeit wieder Geborgenheit und
auch Wohlstand geschaffen werden konnten. Das erfüllt uns
mit Dankbarkeit. Wir wissen, daß auch die Nachkriegszeit
nicht frei von Bedrohungen war und ist. Uns und den Nachgeborenen
möge der Frieden erhalten bleiben.
Das 20. Jahrhundert ist dahingegangen. Es war unser Jahrhundert.
Wir haben es mit Freuden und Leiden erlebt, haben es ertragen
und es hat uns ertragen. Viele gute und manche bösen Stunden
sind in jedem von uns lebendig geblieben. Diese Stunden leben
so lange, wie der Letzte, der sich an sie erinnert, der von
ihnen weiß, wenn auch nur vom Hörensagen.
Mit diesen Blättern möchten wir dazu beitragen, daß
Geschichten und Geschichte länger lebendig bleiben, daß
man über sie ein wenig nachdenkt und daß man Humanität
nicht einzig den Holocaustopfern gewährt. Das ist ein Versuch.
Was daraus wird, liegt nicht in unseren Händen.
Im Namen aller Autoren Johannes Schwarz, Schwiesau im Juni 2003 |
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