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Einleitung Josef Leo Johannes
„Aus dem Dunkel des Vergessens ...“      
Erlebnisse vor und nach der Besetzung Danzigs im März 1945 durch die Sowjetarmee
     

Die Front rückt näher

     

 

Bereits nach den Sommerferien 1944 wurde der Schulbeginn für unsere Schule auf unbestimmte Zeit verschoben. Keine Schularbeiten, keine Sorgen um gute Noten. Das Negative sahen wir nicht. Nicht an allen Schulen der Stadt war es so. Es betraf nur solche, die als Reservelazarett eingerichtet bzw. als Kaserne genutzt wurden.

Unsere Mutter hatte ihre liebe Not, uns hungrige Mäuler täglich satt zu bekommen. Die Versorgung der Bevölkerung war rationiert und bis zur Aufgabe der Stadt gesichert. Nur durch den Erhalt weiterer Brotmarken von den Verwandten aus dem Ruhrgebiet und die Großzügigkeit unserer Bäckersfrau Malinski konnten wir uns an Brot satt essen. Zum Weihnachtsfest 1944 erhielten wir als Familie auf Lebensmittelkarten sogar eine Weihnachtsgans.

Diskussionen über den Ausgang des Krieges und die Zeit danach in der Familie und im Kreis der Erwachsenen hörten wir nicht. Unsere Eltern achteten auch streng darauf, daß das Verbot des Abhörens ausländischer Sender eingehalten wurde.

Unser Onkel Max, Hafenarbeiter und Kommunist, sehnte das schnelle Ende des Krieges und die Rote Armee herbei. Er wurde eines Besseren belehrt. Er verließ mit Unterstützung der Roten Hilfe1 sehr schnell sein altes Zuhause.

Viele Einwohner unserer Straße verließen die Stadt, teils, als es noch möglich war, auf dem Schienenweg, später auf dem Wasserweg, hier zwar zögerlich; der Untergang der „Gustloff“ hatte sich herumgesprochen. In unserer Familie war die Flucht nicht aktuell, noch nicht. Als es so weit war, war es zu spät. Unser Vater hatte bis zuletzt eine Aufgabe der Reichsbahn zu erfüllen. Erst auf Weisung sollte er mit der Familie mit dem letzten Zug Danzig verlassen. Die Weisung, seinen Posten zu verlassen, erhielt er nie, und ein Zug fuhr auch nicht mehr ab. Wohin auch? Die Russen standen schon an der Oder.

Die Personalunterlagen des Vaters lagerten bereits in der Reichsbahndirektion Schwerin. Dorthin sollte er mit Familie kommen. Das wußten wir. Dieses Schwerin hatten wir uns schon auf der Landkarte ausgeguckt. Daß es uns einmal hierher verschlagen sollte und unter welchen Umständen, hätten wir nie gedacht.

Die Front rückte näher. Viele Trecks aus dem Osten lagerten in den Parkanlagen. Die Pferde waren erschöpft, fielen um und waren alleine nicht in der Lage, wieder aufzustehen.
Die Pferde wurden dann mit Hilfe von Seilwinden aufgerichtet, erholten sich und mußten weiter traben bis zum nächsten Umfallen. Auch deutsches Militär war mehr als bisher zu sehen. Vierlingsflak bezog Stellung in den Parkanlagen. Geschütz­donner kam näher. Tiefflieger der Russen zerstörten den Flugplatz Danzig-Langfuhr.

  1Die Rote Hilfe war eine Hilfsorganisation der Kommunistischen Partei Deutschlands
     
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